„Es geht darum, das Unternehmen nicht nur als Marke für Kundinnen und Kunden, sondern auch als begehrenswerten Arbeitsplatz zu präsentieren.“

Markus Ebner Portrait

CleverMatch im Gespräch mit Dr. Markus Ebner.

Herr Dr. Ebner, was ist aus Ihrer Sicht aktuell die größte HR-Herausforderung?

Dr. Markus Ebner: Die größte Herausforderung im HR-Bereich ist aus meiner Sicht derzeit der Fachkräftemangel. Dieser Mangel zwingt Unternehmen, nicht nur innovative Wege zu finden, um qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, sondern auch, sie langfristig zu binden. Hier zeigt sich die Bedeutung von Positive Leadership, wie es im von mir entwickelten PERMA-Lead Modell gezeigt wird. Unternehmen, die einen positiven Führungsstil pflegen, werden attraktiver für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und können deren Bindung ans Unternehmen nachhaltig verbessern. Unsere Studien können beispielsweise klar belegen, dass dieser Führungsstil mit der Fluktuation hochsignifikant korreliert. In Zeiten, in denen die Nachfrage nach talentierten Arbeitskräften das Angebot übersteigt, ist dies entscheidend.

Welche HR-Trends sehen Sie in der Zukunft des Personalwesens?

Ich sehe in der Zukunft einen starken Trend hin zu einer verstärkten Individualisierung und Personalisierung von Mitarbeiterinnen- und Mitarbeitererfahrungen. Dies umfasst sowohl maßgeschneiderte Weiterbildungsangebote als auch flexible Arbeitsmodelle. Außerdem wird die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz immer wichtiger, was den Einsatz von positiven Führungsansätzen begünstigt. Ein weiteres Trendthema ist definitiv die verstärkte Nutzung von KI und Datenanalyse zur Verbesserung von HR-Entscheidungen, wobei jedoch die menschliche Komponente nicht vernachlässigt werden darf.

Welche Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach für Führungskräfte besonders wichtig sein?

Zukünftig werden emotionale Intelligenz und damit einhergehend die Kompetenz, individuelle Stärken der Mitarbeitenden zu erkennen und zu fördern, essenziell für Führungskräfte sein. Die meisten Führungskräfte sind meines Erachtens bereits sehr gut im Managen, also im Strukturieren, Organisieren und Weiterem. Leadership ist allerdings bei vielen noch zu wenig im Fokus. Die Fähigkeit, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Stärken ausleben können, ist entscheidend. Positive Leadership, wie es im PERMA-Lead Modell verankert ist, lehrt Führungskräfte, wie sie beispielsweise durch positive Emotionen, Engagement und Sinnstiftung ein Umfeld schaffen, das nicht nur Leistung, sondern auch Wohlbefinden fördert. Zudem werden digitale Kompetenzen und die Fähigkeit, hybride Teams zu führen, immer wichtiger.

Welche Lösungen sehen Sie im Umgang mit dem Fachkräftemangel?

Ein nachhaltiger Umgang mit dem Fachkräftemangel erfordert einen ganzheitlichen Ansatz und muss für jede Branche und vielleicht sogar für jedes Unternehmen anders gelöst werden. Um dem Fachkräftemangel effektiv zu begegnen, müssen Unternehmen ihren Fokus darauf legen, sich als attraktive Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber am Arbeitsmarkt zu positionieren. Früher investierten Unternehmen stark in Werbung, um Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Heute sollten diese Ressourcen vermehrt in die Werbung für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fließen. Es geht darum, das Unternehmen nicht nur als Marke für Kundinnen und Kunden, sondern auch als begehrenswerten Arbeitsplatz zu präsentieren. Eine starke Arbeitgebermarke, die durch authentische und gezielte Kommunikation aufgebaut wird, ist entscheidend.

Dies beinhaltet das Hervorheben der Unternehmenskultur, der Werte und der positiven Arbeitsumgebung, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihnen erwarten können. Hier spielt Positive Leadership eine hilfreiche Rolle: Unternehmen, die ein positives Arbeitsumfeld schaffen, in dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Stärken entfalten und Sinn in ihrer Arbeit finden, haben einen klaren Vorteil im Wettbewerb um Talente. Zudem ist es wichtig, bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch gezielte Weiterbildungsprogramme zu fördern und eine Unternehmenskultur zu schaffen, die als attraktiv wahrgenommen wird, um so auch wiederum extern Talente anzuziehen.

Welche sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten KPIs im HR-Umfeld?

Ähnlich wie bereits zuvor erwähnt, denke ich, dass die wichtigsten KPIs für jedes Unternehmen unterschiedlich sind. Müsste ich mich auf jene festlegen, die meiner Erfahrung nach für viele Unternehmen zutreffen, wären das Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterengagement, Fluktuationsrate und die Zufriedenheit mit Führung.

Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterengagement ist einer der wichtigsten KPIs im HR-Bereich, weil es direkt mit der Produktivität und der gesamten Unternehmensleistung verknüpft ist. Engagierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind motivierter, zeigen mehr Eigeninitiative und tragen wesentlich zu einer positiven Unternehmenskultur bei. Unternehmen, die ein hohes Maß an Engagement aufweisen, profitieren oft von höherer Profitabilität und niedrigerer Fluktuation. Zudem reflektiert diese Kennzahl, wie gut es Führungskräften gelingt, ein positives Arbeitsumfeld zu schaffen, das durch emotionale Bindung, Sinnhaftigkeit und die Möglichkeit, individuelle Stärken auszuleben, geprägt ist.

Die Fluktuationsrate ist ein weiterer kritischer KPI, weil sie zeigt, wie effektiv ein Unternehmen darin ist, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig zu halten. Die muss natürlich branchenspezifisch bewertet werden. Hohe Fluktuation kann nicht nur erhebliche Rekrutierungskosten verursachen, sondern auch die Moral und Produktivität der verbleibenden Mitarbeitenden beeinträchtigen. Eine niedrige Fluktuationsrate deutet darauf hin, dass das Unternehmen als attraktive:r Arbeitgeber:in wahrgenommen wird und dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufrieden sind. Dies ist besonders wichtig in Zeiten des Fachkräftemangels, da eine hohe Fluktuation zusätzliche Belastungen für das Unternehmen bedeuten kann.

Ein weiterer wichtiger KPI ist aus meiner Sicht die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit ihren jeweiligen Vorgesetzten, was sich sehr gut durch 360-Grad-Feedbacks messen lässt. Dieser KPI ist deshalb von großer Bedeutung, weil Führungskräfte einen nachweislich großen Einfluss auf viele personalrelevante KPIs haben, darunter Mitarbeiterinnen- und Mitarbeiterengagement, Fluktuation und natürlich auch die Produktivität. Führungskräfte sind der größte Hebel im Unternehmen, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung und Pflege einer positiven Organisationskultur. Zufriedene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in einem Umfeld arbeiten, in dem sie sich wertgeschätzt und unterstützt fühlen, sind in der Regel motivierter und leisten mehr. Durch regelmäßige 360-Grad-Feedbacks kann das Unternehmen nicht nur die Effektivität seiner Führungskräfte verbessern, sondern auch sicherstellen, dass die Organisationskultur gestärkt wird und in Einklang mit den Werten des Unternehmens bleibt.

Ich durfte in den letzten 20 Jahren zahlreiche Unternehmen auf ihrem Weg zu erfolgreicher Führung und einer positiven Unternehmenskultur begleiten. Dabei konnte ich beobachten, wie entscheidend eine gut aufgestellte HR-Abteilung für den nachhaltigen Erfolg eines Unternehmens ist. Das Spannende ist, dass der HR-Bereich – übrigens nach wie vor oft unterschätzt – wenn er richtig eingesetzt wird, einen maßgeblichen und langfristigen Einfluss auf das gesamte Unternehmen hat. Was mich an diesem Bereich besonders fasziniert, ist der Gestaltungsspielraum, der weit über die einzelnen Fachbereiche hinausgeht. HR hat die einzigartige Möglichkeit, die Unternehmenskultur zu prägen und somit die Grundlage für nachhaltigen Erfolg zu legen. Dieser Aspekt macht die Arbeit im HR-Bereich natürlich auch manchmal sehr herausfordernd, aber auch unglaublich spannend und erfüllend.