CleverMatch im Gespräch mit Ute Neher.
Frau Neher, was ist aus Ihrer Sicht aktuell die größte HR-Herausforderung?
Ute Neher: Wir befinden uns inmitten einer dynamischen Transformation, und die Herausforderung besteht darin, genügend Schwung aufzunehmen, um die nötige Geschwindigkeit zu erreichen. Der gezielte Umbau und die Transformation der Belegschaft sind entscheidend, um Talentlücken zu schließen. Strategisches Recruiting spielt dabei eine Schlüsselrolle: Es geht nicht mehr nur darum, Positionen zu besetzen, sondern die richtigen Talente zu gewinnen, die die Zukunft aktiv mitgestalten. Gleichzeitig müssen wir Diversity und Inklusion als Chancen nutzen, um kreative und leistungsstarke Teams zu formen. Die Digitalisierung und insbesondere der Einsatz von KI dürfen kein Bremsklotz sein – sie müssen als Beschleuniger gesehen werden. Jetzt ist die Zeit, die Weichen richtig zu stellen und die Transformation entschlossen voranzutreiben.
Welche HR-Trends sehen Sie in der Zukunft des Personalwesens?
Die Zukunft des HR wird von mehreren zentralen Trends geprägt: Erstens, die Verschmelzung von Technologie und Mensch. KI und Automatisierung übernehmen Routineaufgaben, während HR-Experten sich auf strategische Themen und die Weiterentwicklung der Belegschaft konzentrieren. HR muss sich technologische Kompetenzen aneignen, um aktiv zur Unternehmensentwicklung beizutragen.
Zweitens, Diversity und Inklusion als Wettbewerbsvorteil. Unternehmen, die Vielfalt aktiv fördern, werden innovativer und erfolgreicher sein. Dies erfordert einen bewussten Umbau der Unternehmenskultur und die Integration von Diversity in alle Bereiche.
Drittens, die Zukunft der Arbeit wird hybrid, flexibel und multidimensional. Arbeit wird sich von traditionellen Normen lösen und vielfältige Formen annehmen, von flexiblen Modellen über Remote Work bis hin zu projektbasierten Kooperationen. Unternehmen, die diesen Wandel aktiv gestalten, werden die besten Talente langfristig binden. Der Fokus liegt auf einer menschenzentrierten, kreativen Arbeitswelt, die Produktivität und Wohlbefinden fördert.
Zudem muss HR zu einer technosozialen Disziplin werden und die Zusammenarbeit zwischen Menschen und Technologie gestalten, um ihre strategische Rolle weiter zu stärken. Dies wird die Identität von HR tiefgreifend verändern.
Ein weiterer Trend ist der Aufbau übergreifender Synergien. HR muss eng mit IT und Business zusammenarbeiten und Silos aufbrechen, um Transformationen zu ermöglichen. Datenschutz und Transparenz bleiben zentrale Themen der digitalen Welt, bei denen HR eine Schlüsselrolle spielt.
Schließlich wird globales Talent-Management immer wichtiger, ebenso wie kontinuierliche Weiterbildung als Schlüssel zur Zukunftsfähigkeit. Unternehmen, die in die Entwicklung ihrer Mitarbeitenden investieren, sichern sich langfristigen Erfolg.
Welche Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach für Führungskräfte besonders wichtig sein?
Führungskräfte der Zukunft müssen agil, resilient und kommunikationsstark sein. Klare Kommunikation, regelmäßiges Feedback und der gezielte Beziehungsaufbau – sowohl offline als auch online – sind entscheidend, um Vertrauen zu schaffen und Teams effektiv zu führen.
Darüber hinaus ist es unerlässlich, Vielfalt nicht nur zuzulassen, sondern aktiv einzufordern und einzubinden. Inklusion muss als Grundgedanke verankert sein – Führungskräfte müssen eine Kultur schaffen, in der unterschiedliche Perspektiven aktiv gefördert und genutzt werden, um Innovation und Zusammenarbeit zu stärken.
Selbstmanagement und die Fähigkeit zur Selbstregulierung sind die Grundlage für Selbstverantwortung in agilen Organisationen. Führung bedeutet, Verantwortung und Befugnisse klar zu regeln und eine Kultur der Verständigungsbereitschaft zu fördern, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können.
Zusätzlich sind emotionale Intelligenz und Teamfähigkeit unerlässlich, um produktive Zusammenarbeit zu ermöglichen und Konflikte konstruktiv zu lösen. In der digitalen Welt ist es ebenso wichtig, technologisch versiert zu sein und die Digitalisierung aktiv mitzugestalten.
Führungskräfte müssen sichtbar sein, ihre Mitarbeitenden wahrnehmen und hinter ihrem vielfältigen Team stehen. Nur so können sie den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich begegnen.
Welche Lösungen sehen Sie im Umgang mit dem Fachkräftemangel?
Um den Fachkräftemangel zu bewältigen, müssen Unternehmen proaktiv und innovativ vorgehen. Erstens sollten sie stärker auf Upskilling und Reskilling setzen, um bestehende Mitarbeitende weiterzuentwickeln und für neue Anforderungen fit zu machen. Dies hilft nicht nur, akute Lücken zu schließen, sondern bindet auch Talente langfristig.
Zweitens ist es entscheidend, flexible Arbeitsmodelle anzubieten, um eine breitere Talentbasis zu erreichen – einschließlich Remote Work, Teilzeit und hybriden Modellen. Diese Flexibilität erhöht die Attraktivität für Talente, die nicht in traditionellen Arbeitsmodellen arbeiten wollen oder können.
Drittens sollten Unternehmen strategisches Recruiting stärker nutzen und global denken, um Talente unabhängig von geografischen Grenzen zu gewinnen. Gleichzeitig kann der gezielte Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Recruiting-Prozess helfen, Talente schneller zu identifizieren und passgenau einzusetzen.
Nicht zuletzt ist es wichtig, eine inklusive und vielfältige Unternehmenskultur zu fördern. Unternehmen, die aktiv Vielfalt einfordern und Inklusion leben, werden für ein breiteres Spektrum an Talenten attraktiv und können dadurch einen größeren Pool an qualifizierten Fachkräften anziehen.
Zusammengefasst: Unternehmen müssen sich kontinuierlich weiterentwickeln, um Fachkräfte durch interne Förderung, flexible Arbeitsstrukturen und eine starke Unternehmenskultur nachhaltig zu sichern.
Welche sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten KPIs im HR-Umfeld?
Drei KPIs auszuwählen, ist keine einfache Entscheidung, da ein umfassendes HR-Dashboard weitaus mehr Kennzahlen umfasst, um die gesamte Bandbreite der HR-Arbeit abzubilden. Wenn ich mich jedoch auf drei fokussieren müsste, dann wären es diese:
Employee Engagement Rate (für verschiedene Zielgruppen): Diese Kennzahl misst die Zufriedenheit, Motivation und Bindung der Mitarbeitenden, aber es ist besonders wichtig, sie differenziert nach Zielgruppen wie Geschlecht, Altersgruppen oder ethnischer Herkunft zu betrachten. Dadurch wird das Thema Diversity und Inclusion messbarer, und es lässt sich erkennen, ob bestimmte Gruppen stärker oder weniger stark eingebunden und motiviert sind. Dies hilft, gezielt Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Inklusion zu entwickeln.
Retention Rate (differenziert nach Zielgruppen): Die Mitarbeiterbindungsrate sollte ebenfalls nach verschiedenen Zielgruppen ausgewertet werden, um zu verstehen, welche Talente gehalten werden und wo möglicherweise Handlungsbedarf besteht. Eine detaillierte Analyse zeigt, ob diverse Gruppen im Unternehmen gleich stark gefördert und gehalten werden und wo es Lücken gibt. So lässt sich die Bindung von Talenten mit unterschiedlichen Hintergründen und Perspektiven verbessern.
Quality of Hire: Diese Kennzahl misst den langfristigen Erfolg und die Leistung neuer Mitarbeitender nach der Einstellung. Sie zeigt, wie gut die ausgewählten Talente in ihre Rolle passen und welche nachhaltigen Beiträge sie zum Unternehmen leisten. Eine hohe Quality of Hire bedeutet, dass das Recruiting effektiv ist und die besten Talente für die jeweiligen Positionen gewonnen werden – ebenfalls ein entscheidender Faktor, um Vielfalt und Inklusion langfristig zu stärken.
Diese KPIs bieten einen fokussierten Überblick über die Effektivität des HR-Managements und machen Inclusion und Diversity messbarer. Sie geben Aufschluss darüber, wie motiviert und eingebunden verschiedene Gruppen sind und wie gut das Unternehmen Talente hält und weiterentwickelt.