CleverMatch im Gespräch mit Marcel Rütten, Recruiting Strategy Consultant, HR Blogger & Autor, Podcaster & Speaker bei HR4Good und Initiatior der Schicht im Schach.
Herr Rütten, was ist aktuell die größte HR-Herausforderung aus Ihrer Sicht?
Marcel Rütten: Aus meiner Perspektive ist sowohl aktuell als auch in Zukunft der demografische Wandel die größte Herausforderung für HR. Wir wissen doch jetzt schon, wo die Reise in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren hingehen wird. Von daher würde ich die aktuelle Situation noch nicht als so herausfordernd bezeichnen, wie das, was noch auf uns zukommen wird. Hinzu kommt, dass HR meines Erachtens ein grundsätzliches Problem in der Ausbildung hat. Denn Kompetenzen, die bereits heute schon zwingend notwendig sind, werden nicht über die klassische Ausbildung von HR-Generalisten erfüllt werden können.
Welche HR-Trends sehen Sie in der Zukunft des Personalwesens?
Neben den offensichtlichen Trends wie der weiteren Digitalisierung in HR und der durchgängigen Nutzung von künstlicher Intelligenz sehe ich hier vor allem eine Abkehr von kurzfristigen Maßnahmen. Wenn uns die Krisen der letzten Jahre eines gezeigt haben, dann dass es nicht hilfreich ist, wegen eines kleineren Knicks gleich in Panik zu verfallen. Unternehmen werden daher in Zukunft deutlich strategischer aufgestellt sein, um auf der einen Seite zwar kurzfristige Entwicklungen abfedern zu können, aber vor allem das große Ganze weiterzuverfolgen. Das führt dazu, dass das zur Verfügung stehende Budget deutlich zielgerichteter eingesetzt wird und die Wirksamkeit der Maßnahmen in HR deutlich in den Vordergrund rücken wird.
Welche Fähigkeiten werden Ihrer Meinung nach für Führungskräfte besonders wichtig sein?
Das hängt im Einzelnen natürlich stark von der Rolle ab und den Anforderungen, die dort jeweils notwendig sind. Letztlich geht es aber aus meiner Perspektive darum, das volle Potenzial des Teams zu wecken und im besten Fall zu erweitern. Das Problem, das viele Unternehmen allerdings heute schon haben, ist, dass sie Führung quasi als Nebenjob begreifen und die Führungskraft noch zu stark in die täglichen Aufgaben des Teams eingebunden ist. Die Erwartungshaltung der Teammitglieder an die Führungskraft und ihre Kompetenzen lassen es aber meist kaum zu, den Job nebenher zu machen.
Welche Lösungen sehen Sie im Umgang mit dem Fachkräftemangel?
Ich sehe hier sogar gleich zwei Lösungsansätze. Auf der einen Seite werden wir durch die Automatisierung und die Einbeziehung von künstlicher Intelligenz viele Kapazitäten schaffen können. Diese werden ja auch durch die demographische Entwicklung dringend benötigt. Nichtsdestotrotz wird es zahlenmäßig nicht reichen, denn aktuell schrumpft der Arbeitsmarkt täglich um etwa 1.000 Arbeitskräfte. Wir müssen also dringend aktiver werden, was den qualifizierten Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland angeht. Aktuellen Studien zufolge brauchen wir sogar jetzt schon ein jährliches Wanderungssaldo von 400.000 Arbeitskräften, um das aktuelle Niveau überhaupt zu halten. Da kommt auf die Unternehmen und HR noch eine ganze Menge Aufgaben hinzu, nicht nur das eigene Unternehmen, sondern auch den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu platzieren.
Welche sind aus Ihrer Sicht die drei wichtigsten KPIs im HR-Umfeld?
Wenn ich mein KPI-Set auf drei Zahlen herunterbrechen muss, dann würde ich jeweils eine Kennzahl mit den Perspektiven Zeit, Kosten und Qualität auswählen und auf ein ausgewogenes Verhältnis achten. Dieser Dreiklang hat mir in der Praxis bisher sehr weitergeholfen, nicht nur auf Schnelligkeit zu setzen und dabei das Budget oder die Qualität unberücksichtigt zu lassen oder umgekehrt einen zu starken Fokus auf das Endergebnis zu legen oder zu kostensensitiv zu handeln und dadurch Gefahr zu laufen, andere Ziele zu verfehlen.