Thomas Wilm im Gespräch mit Justin Ehresmann, Talent Acquisition and Employer Lead Europe, Viessmann Refrigeration Solutions
Welche Kompetenzen werden Ihrer Meinung nach für Fachkräfte und Führungskräfte in den kommenden Jahren immer wichtiger werden?
Sehr gute Kommunikationsfähigkeiten gewinnen weiter an Bedeutung. Sie sind schon heute oft gefordert, aber in der Praxis erfüllen die Mitarbeiter nicht immer die Ansprüche. Jedes Unternehmen muss die Erfordernisse dieser Fähigkeit detailliert und transparent beschreiben und in einem Kompetenzmodell abbilden. Daneben werden Stakeholdermanagement, aktives Zuhören, Motivationsfähigkeiten sowie Problemlösungskompetenzen immer wichtiger. Eine Herausforderung besonders in technischen Bereichen, in denen ein Werdegang vom Spezialisten hin zur Führungskraft oft noch gang und gäbe ist und die Mitarbeitenden aufgrund ihres technischen Fachwissens aufgestiegen sind. Hier ist Personalentwicklung erforderlich. Und last, but not least: unternehmerisches Denken. Was genau heißt das? Wir benötigen in Führungspositionen Macher, nicht Wartende. Gute Führungskräfte beraten ihre Unternehmen. Dafür wurden sie eingestellt – und nicht als Befehlsempfänger.
Wie setzen Sie künstliche Intelligenz und Technologie in Ihrem Unternehmen ein, um den Rekrutierungsprozess effizienter und zielgerichteter zu gestalten?
KI nutzen wir für die Recherche, z.B. um schnell einen ersten Überblick in einem Themengebiet zu erhalten. Wir erstellen mit ihrer Hilfe Entwürfe für Stellenanzeigen, überarbeiten diese ein bisschen und stellen sie zusammen mit ggf. vorhandenen Standardtexten unseren Businesspartnern als Auswahl zur Verfügung. Auch bei der Erstellung von Kompetenzprofilen hat KI uns schon wertvolle Dienste geleistet.
Wir haben dann gute Erfahrungen mit KI gemacht, wenn wir ihr die relevanten Informationen mitgegeben haben. So hat z.B. eine Stellenanzeige, die sich eher an Berufsanfänger wendet, einen anderen Ton als eine für Berufserfahrene. Das funktioniert schon recht gut.
Wir sind noch in der Lernphase, stellen aber schon jetzt fest, dass KI uns die Arbeit erleichtert. Und wir werden effizienter. Das wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken. Unternehmen, die im Recruiting-Bereich ohne KI arbeiten, werden es schwer haben, die mittleren Leistungskennzahlen zu erreichen.
Wie haben sich Ihre Rekrutierungsstrategien und -prozesse angesichts der zunehmenden Bedeutung von Remote Work und flexiblen Arbeitszeiten angepasst?
Unser Learning der letzten Jahre ist: Da, wo es möglich ist, möchten wir die Option auf Remote oder Hybrid Work geben. Wir haben eine Guideline „Ways of Working model“ entwickelt und darin für alle Funktionen festgelegt, welche Tätigkeiten remote, hybrid, vor Ort beim Kunden bzw. im Büro erlegt werden können oder müssen.
Die Zahl unserer Arbeitszeitmodelle ist noch einmal leicht gestiegen. Insbesondere ist es aber seit Langem Teil der DNA unseres Familienunternehmens, dass Familie und Work-Life-Balance einen hohen Stellenwert haben. Die Kandidaten schätzen die Flexibilität, die sie als Mitarbeitende bei uns haben.
Bei Bewerbungen werden die ersten beiden Interviewrunden ausschließlich online geführt. Die letzte Runde erfolgt im persönlichen Gespräch.
Wie quantifizieren und messen Sie den Einfluss erfolgreicher Rekrutierungsstrategien auf die Businessperformance?
Wir nutzen eine Reihe von KPI, z.B. Personalfluktuation, time to hire, time to fill, cost of hire und Kosten der Nichtbesetzung. In einem aktuellen Projekt arbeiten wir daran, die Qualität noch besser beurteilen zu können. Hier können wir bisher keine klassischen Kennzahlen aus unserem Kandidatenmanagementsystem ableiten.
Wir analysieren den Rekrustierungsprozess sowohl auf der Seite der Hiring-Manager und Businesspartner als auch auf Kandidatenseite jeweils durch Befragungen. Und wir lesen die Bewertungen in Portalen wie glassdoor und kununu.
Eine gute Candidate Experience ist heutzutage erfolgsentscheidend. Die Kandidaten wählen aus, nicht nur wir Unternehmen. Ich freue mich immer sehr, wenn jemand, der nicht eingestellt wurde, versteht, warum es dieses Mal nicht geklappt hat, und zurückspiegelt, dass er gern für uns gearbeitet hätte, sich wieder bewerben und unser Unternehmen im Freundeskreis weiterempfehlen wird.